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Wenige Woche vor dem Frühjahrsfeldzug (Chroniken von Mythodea 2025)

„… und deshalb bietet Validar an, einen Sammelpunkt zu stellen. Einen sicheren Ort, an dem sich die Armeen der Reiche Mitrasperas sammeln können, bevor sie gemeinsam aufbrechen, um die Libellenkönigin zu finden, den Tempel Ignis‘ zu reparieren und ans Land zu binden oder welches Ziel auch immer zu diesem Zeitpunkt Priorität genießt.“ Balors Worte wurden von ferner Ballmusik begleitet, die beinahe verträumt aus den Sälen bis hinunter in den Kellerraum klang, in dem sich diese Runde aus Herrschern wie zufällig zusammen gefunden hatte. Kaela ließ den roten Kirschlikör in dem kleinen, goldenen Kelch kreisen, den sie in der Hand hielt. Ob es wohl auch Zufall war, dass er die Farbe von Blut hatte? Sie schaute auf und ihr Blick traf den von Ramirez, dem Archon der Rosen, dessen Augen genauso dunkel waren, wie ihre eigenen. Man konnte es fast vergessen, auf derlei Bällen. Dass die Realität von Mitraspera der Krieg gegen die Verfemten war. Ein Krieg, der sie alle schon bald in unbekannte Gefilde führen würde. Ein Krieg, den nicht alle der ihnen Anvertrauten überleben würden.

Kaela seufzte ein wenig und rieb sich die schmerzenden Schläfen, während sie den Brief, den sie erhalten hatte, langsam sinken ließ. Damals, im Winter, hatten sie und die anderen Herrscher nur Vermutungen angestellt. Doch auch hier war schnell deutlich geworden, dass der Fokus auf dem letzten Tempel der Elemente liegen musste. Auf dem Tempel von Ignis, auch genannt „Die Hallen des Immerwährenden Kampfes“. Oder wie Mr. Quinn es auf dem Ball ausgedrückt hatte: „Wir müssen Mitraspera alle Kraft geben, die wir ihr geben können, bevor wir nach Sarkan aufbrechen, um nach dem Herzstück dieses Kontinents zu suchen.“ Und nun gab es diesen Brief, gesandt von Tendal, einem Magier im Zeichen Ignis‘. Und in diesem Brief bestätigte sich, was die Herrscher damals, auf dem Tanzball des Westens vermutet hatten: der Tempel befand sich an einem Ort, der ohne eine Auseinandersetzung mit der Schwarzen Dynastie und ihren Verbündeten nicht erreichbar war. Doch den Tempel nicht zu reparieren, nicht an das Land zu binden, war keine Option. Denn das der Weg in den Süden unausweichlich war, hatten auch die Gelehrten der Feste bestätigt. Diese hatten die Zeit nach dem Herzkonzil genutzt, um Wissen über diesen unbekannten Kontinent Mythodea und das Land Sarkan zusammenzutragen. Wissen, welches sie nun teilen würden – und das die Mitglieder der Feste hoffentlich auf die bevorstehenden Herausforderungen und Gefahren vorbereiten würde.

Doch war das nicht schon immer so gewesen, in Mitraspera? Hatten die Siedler und ihre Verbündeten nicht schon immer für ihre Errungenschaften kämpfen müssten? Hatte die Feste der Vielfalt selbst sich nicht mal um mal gegen die Verfemten gestellt – und gewonnen?

Die Zuversicht, die Kaela bei diesem Gedanken empfand, vertrieb die Düsternis, die die Erinnerung an das Gespräch im Keller mit sich gebracht hatte. Stolz erfüllte die Brust der Anführerin und ließ sie den pochenden Schmerz in ihren Schläfen vergessen. Ja, auf die Streiter der Feste war immer Verlass gewesen. Ob sie nun mit Schwert, Feder, Trankflaschen, Verbänden, einem wachen Geist, einer spitzer Zunge oder einer ihrer anderen Talente ins Felde zogen. Und so würde es auch diesmal sein. Die Feste der Vielfalt würde sich mutig den Verfemten entgegenwerfen – um alles zu tum, um das Überleben Mitrasperas und damit auch ihrer neu-gefundenen Heimat Ærdas zu sichern. Und die Feste der Vielfalt würde auch diesmal siegreich sein.

Erfüllt von neuem Mut griff der Sturm der Feste nach der Feder und ließ sie über das Papier wandern, um all jenen Mitglieder der Feste, die nicht in Ærdas lebten, einen Ruf zu den Waffen, einen Aufruf für den diesjährigen Frühjahrsfeldzug zu senden. Und während die metallene Spitze über das raue Papier kratzte, huschte ein Lächeln über die Lippen Kaelas. Ein Lächeln, weil ihr bewusst wurde, wie viele Mitglieder der Feste mittlerweile Ærdas ihr Zuhause nannten. Und wie vielen von ihnen Kaela deshalb den Ruf zu den Waffen persönlich mitteilen konnte.

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